San Julian – Ushuaia oder das Ende der Welt

San Julian – Ushuaia oder das Ende der Welt

Kurzüberblick:

Halbfinale gewonnen. Von San Julian ging’s über Rio Gallegos nach Chile. Am selben Tag noch mit der Fähre nach Feuerland und dann wieder nach Argentinien rein. Immer südwärts. In Rio Grande schauen wir das WM Finale. Argentinien ist Weltmeister. Mit einem dreitägigen Zwischenstopp in Tolhuin gehts ans Ende der Welt „Ushuaia“.

Das Halbfinale schauen wir mit der Besatzung von zwei anderen Fahrzeugen in einem tollen Restaurant. Aber eigentlich hätte das Restaurant zu – sie machen für uns 8 Leute auf. Und da schauen wir eben zu 8. auf der Großleinwand das Halbfinale. Irgendwie komisch, wir hätten volle Bars und Pups erwartet aber die Argentinier schauen im familiären Kreis zuhause. Selbst die Kinder dürfen aus der Schule nach Hause wenn Argentinien spielt…Da wir typische WM Fußballgucker sind schlägt unser Herz mittlerweile natürlich für den Messias Messi. Die einzigen Worte, die wir in der Live Schalte des Halbfinales verstehen. Messias und Football,Football – Messi. Die einsame Stimmung ändert sich schlagartig als mit dem Sieg die ganze Stadt zum Zentrumsplatz kommt und hupt, grölt und fahnenschwenkend feiert! Toll diese Begeisterung mitzuerleben. Alle Generationen feiern ausgelassen und hoffen auf den WM Traum. Mit etwas Abstand drauf geschaut erinnert es an die römische Methode „gibt dem Pöbel Spiele…“ Das Land, dass so große wirtschaftliche Probleme vor sich herschiebt vergisst in diesem Moment scheinbar kollektiv alle Probleme – alle sind patriotisch glücklich. Fußball baut wohl auch hier riesige Brücken – wir finden es unglaublich toll und genießen den Abend. Wir bleiben in Summe 4 Nächte in San Julian – übrigens die Stadt, in der Magellan die erste Meuterei seiner Crew niedergeschlagen hatte und überwinterte. Wir kümmern uns um Wäsche waschen, Fahrzeugservice außerdem gibt’s auch für das Auto eine Intensivwäsche. Wir genießen auch die geselligen Abende auf dem Camp. Nach und nach ziehen alle Fahrzeuge weiter – uns treibt es die Ruta 3 weiter nach Rio Gallegos. Hier kommen wir spät an und nächtigen wegen des Windes bei einer Tankstelle mit (fast) allen Fahrzeugen aus San Julian relativ windgeschützt. Für uns bewährt es sich wegen solcher Nächte unsere eigene Wohnung auf Rädern dabei zu haben. Wind, eklige Toiletten, Truckerplatz – egal wir haben unser Habitat! Wir machen abends noch einen kurzen Spaziergang und essen unter einer Brücke wohl ganz spontan eines unserer besten Choripan. Tagsdrauf ist ein Orga Tag. Ölwechsel steht in den nächsten 1000km an und wir wollen alle Filter und Co besorgen. Wir haben zwar einen kompletten Satz dabei. Aber für alle Fälle will Flo den lieber unangetastet lassen. Außerdem haben wir festgestellt, dass sich die Kunstoffverklebungen der Solarpanele leicht lösen. Wir erleben wieder einmal wie wohl sortiert ein deutscher Hornbach oder Obi ist. Als ich ein Aluminiumprofil als Muster mit in den Laden nehme, finden das die Angestellten total toll und sind erstaunt darüber, dass es aus Aluminium ist. So etwas würde es in der ganzen Stadt nicht geben….wir fragen uns durch und haben letztendlich doch beim Fensterbauer Erfolg und finden vergleichbares. Diese Aluwinkel verkleben wir auf dem Dach und Haltern damit zusätzlich die Solarpanele. Am Straßenrand neben einem großen Spielplatz klebt Flo also 24 zusätzliche Halter und die Kids toben mit Babsi über den Spielplatz.

Abends treffen wir noch Reisende, genießen ein Feierabendbierchen und schlafen etwas außerhalb der Stadt am Fluss. Da wir bei der abendlichen „Durchsicht“ am Fahrzeug festgestellt haben, dass sich die Lagerböcke der Fahrerkabine verbiegen und die Gummilager bereits (fast) kaputt sind, fahren wir am nächsten Tag nochmal in die Stadt, suchen einen Schweißer und dann haben wir auch das Thema wieder gerade gebogen….wie läuft eine solche Reparatur ab, wenn man weder weiß wohin, noch die Sprache vernünftig spricht um zu erklären was man braucht? Easy! Bei der ersten Werkstatt nachfragen wer schweißen kann (Hand und Fuß + „schweissgeräusche“). Ich glaube Pantomime gewinnen wir mittlerweile. Da die sofort merken, wir kapieren die Wegbeschreibung nicht so richtig….:-), steigt der Mechaniker aufs Mopped – fährt vor und zeigt und wo wir hin müssen. Wir werden mit einer kurzen spanischen Erklärung an den nächsten „übergeben“. Und dann läufts….dazu kam, dass dann beim Schweißer erstmal kein Strom war – also haben wir unsere Akkuflex, Bohrmaschine und Co ausgepackt. Wir haben zerlegt und er hat dann das noch nie gesehene Akkuwerkzeug genossen. Nach 3 Stunden (zwei Mann haben geholfen) zahlen wir knappe 40€ und verabschieden uns zufrieden👍.

Da der Tag schon recht weit fortgeschritten ist, schlafen wir noch eine Nacht am Fluss. Tagsdrauf (17.12.) ist „Grosskampftag“, da wir am 18.12. WM Finale in Rio Grande schauen wollen. Wir wollen zwei Grenzen überqueren, eine Fähre nehmen und knappe 300km fahren. Soweit die Theorie….bereits nach wenigen Kilometern kommen wir zur ersten Grenze. Wir verlassen seid Langem Argentinien und reisen nach Chile ein. Leider ist an dieser Grenze förmlich die Hölle los und da es keine Ein-und Ausreiseseite gibt, sondern der Schalter alle Seiten bedient warten wir ca. 3 stunden bis wir dran kommen. Babsi steht mit Funkgerät bewaffnet in der Schlange, Flo kocht mit den Kids im Auto. Pünktlich als das Essen fertig ist, kommt der Funkspruch: „bitte in die Schlange kommen“. Dann heißt es „Migration“ – Personeneinreise und anschließend „Aduana“ – Zoll, für die Aus-und Einfuhr unseres deutschen Fahrzeugs….Ausreise Argentinien geschafft. 800Meter fahren, erstmal endlich essen! Die Einreise Chile läuft dann in einer knappen Stunde ab. Wir sind also nach 4 Stunden über die erste Grenze….Ohje ob das heute klappt? Wir fahren eine knappe Stunde zur Fähre und kommen just in Time. Wir sind das letzte Fahrzeug welches mitgenommen wird und nach uns gehen die Ladeluken hoch. 25€ bezahlen – total ungewohnt, in Chile wieder problemlos mit Kreditkarte möglich- und 20 Minuten später sind wir auf Feuerland und haben die Magellanstrasse überquert. Jetzt liegen noch ca. 160km bis zur nächsten Grenze vor uns. Mittlerweile ist es aber bereits 18/19 Uhr und wir überlegen ob wir das noch machen. Noch hat keiner Hunger und wir versuchen es….kurz nach der Fähre sehen wir noch zwei Tramper. Wir halten und nehmen die zwei Israelis noch mit. Sie haben ebenfalls die Challenge morgen zum WM Finale in Rio Grande zu sein. Wir helfen 🙂 und nach zwei Stunden überqueren wir abends ganz entspannt und in wenigen Minuten die Grenze zurück nach Argentinien. Die letzten 80km verschieben wir auf morgen und schlafen an der Grenze. Da das Hostel ausgebucht ist, schlafen dje Tramper in der Wartehalle der Grenze. Tagsdrauf fahren wir wieder zu 6. nach Rio Grande, verabreden uns mit ein paar Overlandern via WhatsApp und sind pünktlich um 11:30 (Anpfiff 12:00) in einer Bar. 

Das Finale ist eines Final-WM-Spiels mehr als würdig. Die Spannung ist beinahe unerträglich. Als der lang erkämpfte argentinische Sieg nach dem Elfmeterschießen endlich da ist, erwarten wir, dass der Tumult losbricht und es kein Halten mehr gibt. Aber nachdem wir Overlander gejubelt und uns umarmt haben blicken wir uns verstört um. Es ist ziemlich leise und die Argentinier stehen noch fassungslos an ihren Plätzen und die Tränen kullern. Aber dies hält nicht lange vor und schon ein paar Augenblicke später geht der Autocorso und die Party mit Trommeln und Trompeten los! Wir ziehen mit auf den Stadtplatz und lassen uns mitreißen  … Wir übernachten außerorts und genießen dort die Ruhe. 

Am folgenden Tag fahren wir nochmal in die Stadt um ein paar Besorgungen zu erledigen (einkaufen, tanken, Wasser auffüllen, ein paar Ersatzteile aufspüren…) und ehe wir uns versehen ist es schon wieder 17:30 Uhr. Dennoch schaffen wir es noch bis Tolhuin zum Camping Hain. Die Besitzer dort haben sich wirklich etwas tolles aufgebaut und der Campingplatz gleicht einer Mischung aus Kunstausstellung und Antiquitätenmuseum. Definitiv einen Besuch wert und absolut außergewöhnlich. Nach drei Nächten fahren wir am 22.12.2022 nach Ushuaia ein und ergattern trotz der späten Stunde noch einen top Stellplatz direkt neben den großen weißen Lettern “USHUAIA” im Zentrum. Wir gehen zur Feier des Tages noch aus und landen in einem Lamm-Grill-Restaurant. Absolut köstlich und ein gelungener Abend an diesem für uns so bedeutsamen Etappenziel. 

Am 23.12. fahren wir noch zum Gletscher Martial und geben unseren Gelüsten nach als wir auf der Karte eines Teehauses Käsefondue lesen. Leider kommt die Realität nicht unserer Vorstellung nahe , aber die Touristenfallen muss man wohl immer wieder aufs neue kennen lernen. Anschließend machen wir noch einen kleinen Hüpfer zur Zugstation des Tren del Fin del Mundo. Hier wollen wir zusammen mit einigen inzwischen Altbekannten die Feiertage verbringen. Die Freude ist riesig so viele lieb gewonnene Gesichter zu treffen. Céline und Dario, Gerd und Evi, Tjorven und Claus, Joke und Wolter, Paul und Jenny – alle sind pünktlich zu Weihnachten eingetroffen. Am 24.12. gönnen wir uns und vor allem den Kids eine Zugfahrt mit der leicht überteuerten aber sehr süßen Dampfeisenbahn. Heiligabend gibt es dann lecker Essen mit Rinderfilet, Kartoffelgratin und Gemüse. Zu unserer großen Freude findet uns das Christkind auch hier an diesem Ende der Welt. 

Es folgen noch ein paar entspannte Tage im Nationalpark Tierra del Fuego mit vielen Wandermöglichkeiten und wahnsinnig schöner Szenerie bevor wir als letzte Etappe des argentinischen Feuerlands noch die historische Estancia Haberton ansteuern. Die Frage ob es sich lohnt den knapp 1000km langen „Umweg“ nach Ushuaia auf sich zu nehmen beschäftigt viele Reisende und wir können für uns sagen: Ja! Ushuaia ist eine kleine Stadt, voll mit Touristen, quirligem Straßen- und Restaurantleben. Außerdem gibt es hier wieder alles. In anderen Städten in der argentinischen Pampa war es oft schwer alles zu bekommen. Was nicht schlimm ist aber wir hatten eher weniger Erwartungen an das „Ende der Welt“. Lustigerweise sehen wir hier zum Beispiel das erste mal in Argentinien Cous-cous und decken uns ein. Für einen beschränkten Zeitraum diesen Touristensturm zu erleben, können wir durchaus genießen. Außerdem ist die Szenerie, die Natur in nächster Umgebung wirklich toll und vor allem anders, noch nie gesehen. Schneebedeckte Gipfel, Wald, Wildlife (Füchse, Biber, Otter, Delphine,…), Fluss, Meer, Hafen, Stadt und die endlose Weite des Nichts auf engstem Raum haben uns sehr gefallen…

Heute ist nun der 31.12.2022 und wir blicken zurück auf ein bewegtes Jahr. Im ersten Viertel Fahrzeug fertig bauen, Haus leer räumen. Dann am 1.5. endlich der lang ersehnte Abfahrtstag. Die nächsten beiden Vierteljahre reisen wir bis zum Nordkap, lernen unser Fahrzeug und unsere neue Wohnung kennen und lieben. Ende September dann die Verschiffung und im letzten Vierteljahr beginnt unser Südamerikatrip, welcher uns bis heute an den südlichsten Zipfel der Welt führt. Wir schauen heute gespannt aufs Jahr 2023. Ein ganzes Jahr reisen – der Wahnsinn!!! Wir sind gespannt wohin uns unsere Wege führen und was wir alles Erleben werden. 

Wir wünschen nun allen ein gesundes und frohes neues Jahr 2023!!! 

wie immer gibts mehr Bilder hier.

3 Gedanken zu „San Julian – Ushuaia oder das Ende der Welt

  1. Gestern hat nach einer etwas längeren Arbeitspause wieder unser „Arbeits-Alltag“ begonnen. Die Aussicht die ihr habt, das komplette Jahr 2023 auf Rädern zu sein, ist wirklich der Wahnsinn…! Diese haben wir zwar nicht, aber eure vielen Bilder und tolle Berichte nehmen uns gedanklich richtig mit. Es macht auch total Spaß täglich den Polarsteps zu checken 😉
    LG, Lukas & Johanna

  2. Hallo ihr Lieben,
    endlich habe ich mal wieder euren Blog gelesen. Wahnsinn was ihr alles erlebt! Sehr inspirierend!!!

    Ich wünsche euch ein wunderschönes neues Jahr 2023 und darüber hinaus und vor allem weiterhin gute Erfahrungen auf eurer Reise!!

    Liebe Grüße aus Gerbrunn,
    Birgit

  3. …toller Bericht – ungeschönt aus dem Reise-Alltags Leben… schön und begeisternd zu lesen!!!! Interessant finde ich auch, daß ich (man) nie weiß, wer ihn eigentlich schreibt 😂.
    Das war 2022 – Respekt, was ihr schon alles erlebt, gesehen und gemeistert habt…… für 2023 wünschen wir euch viele „spannende Abenteuer“, interessante Begegnungen …weiterhin einfach : die Freude am Reisen
    ALLES , ALLES GUTE –
    SAFE TRAVEL 😘

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