Estland – was für eine angenehme Überraschung !

Estland – was für eine angenehme Überraschung !

Am nächsten Morgen, den 13.08.2022 geht unsere Fähre nach Tallinn. Wir treffen dort Bernd und Ruth, die mit ihrem MAN 6×6 Blissmobil reisen. Wir unterhalten uns sehr nett und verbringen ein paar gemeinsame Tage. Während der Sightseeingtour trennen sich unsere Wege, da unser Tempo mit den Kids einfach zu unterschiedlich ist. Wir landen auf einem Kinderfest und können richtig entspannen. Die Kids vergnügen sich mit der Seifenblasenkanone und im Sandkasten, während wir uns einen Aperol genehmigen. Wir sitzen mitten im modernen Hochhausviertel und sind wirklich beeindruckt von der Architektur und dem Flair. Wir ziehen weiter Richtung Altstadt und auch dort begeistert uns Tallinn als wunderschöne, gepflegte Stadt mit tollem Flair. Wir ziehen also den ganzen Tag durch Tallinns Gassen und kommen nach Sonnenuntergang wieder zu unserem Stellplatz. Auf dem Weg dorthin zeigt uns Estland noch wie weit sie bei dem Thema Digitalisierung sind – wir begegnen einer autonomen Lieferroboterflotte, die sich schön am Zebrastreifen anstellen. Außerdem gilt hier ein Internetanschluss als Grundrecht und die Verfassung des Landes sichert den Breitbandzugang. Bei Ankunft „zuhause“ fallen die Kids müde in ihre Betten und wir sitzen noch eine ganze Weile mit Bernd und Ruth bei einem Sekt zusammen. Ein wirklich gelungener Citytag! Wer immer sich entschließt diese Stadt zu bereisen – es lohnt sich sehr! Wir wissen nicht so genau, was wir uns unter Tallinn und Estland vorgestellt haben, aber unser erster Eindruck ist viel besser. Es ist modern und hat eine tolle Atmosphäre. Wir sind gespannt auf was noch kommt! 

Unser nächster Stop sind die Jägala Joga Wasserfälle ca. 25 km von Tallinn entfernt. Es sind die größten Wasserfälle Tallinns und auf 50 Meter breite stürzt das Wasser 8 Meter in die Tiefe. Unten im Becken kann man herrlich baden und das Wasser hat eine erfrischende aber angenehme Temperatur. Da das Wetter heiß und sonnig ist, bleiben wir 2 Tage und gehen häufig ins nasse Kühl! Zufällig begegnen wir hier wieder Ruth und Bernd und genießen nochmal die gemeinsame Zeit. 

Wir nutzen die Zeit, um uns über Estland zu informieren. Hierbei legen wir die nächsten beiden Ziele fest. Die Quellen von Saula Siniallikad erreichen wir über einen kurzen Spaziergang durch den Wald. Die Quellen haben äußerst klares Wasser und man sieht am sandigen Grund das Wasser aus dem Boden blubbern. Die Quellen sind sehr schön, baden kann man aber nicht. Da uns die Mücken überfallen, beeilen wir uns zum Fahrzeug zurückzukehren und fahren weiter zum See Rummu karjäär. Die erste Nacht verbringen wir auf einem kostenlosen Park 4 Night Spot am See und sind erstaunt über das klare Wasser. Direkt am Ufer ist ein kleiner Hummer (Tier, nicht Fahrzeug), den wir in aller Seelenruhe bestaunen können. Wir stehen hier nicht ganz alleine. Ein alter Mann campiert in seinem kleinen Peugeot 207. Erst morgens kapieren wir, dass der sicherlich fast 80-jährige auf seinem Beifahrersitz geschlafen hat. Er hat ein kleines Boot dabei, dessen Außenbordmotor kaputt gegangen ist und Flo hilft ihm den Defekt zu suchen. Es macht den Anschein, dass der Mann in seinem Auto lebt aber wir sind uns nicht sicher, die Kommunikation ist auf Hand und Fuß beschränkt. Am folgenden Tag fahren wir zum berühmten ehemaligen Sowjet Gefängnis. Ein Teil davon ist im See des ehemaligen Steinbruchs überschwemmt, den Landteil kann man besichtigen. Wir holen uns Audioguides und tauchen ab in alte Sowjetgeschichte an diesem gespenstischen und unheimlichen Ort. 1991 ist Estland unabhängig von der Sowjetunion geworden. Das Gefängnis wurde bis 2012 betrieben, jedoch wurden Gefangene, die aufgrund von Arbeits- oder Wohnungslosigkeit zur harten Zwangsarbeit verurteilt wurden, frei gelassen. Wir besichtigen unter anderem die Wohnblocks. Die Gefangenen werden demjenigen Block zugeteilt, wozu sie passen. Es gibt verschiedene Ränge vom niedrigsten Rang, Block 1 bis hin zu den Clanbossen. Die niedrigsten Ränge hatten das größte Risiko missbraucht zu werden, mussten aber nicht in Reichweite der Schwerkriminellen wohnen. Die höchsten Ränge hatten die größten Vorteile, aber auch die schlimmsten Rangkämpfe. Innerhalb des Wohnblocks konnten die Gefangenen sich frei bewegen und die gezeigten Einblicke in deren Alltag waren höchst interessant. Zugleich läuft es einem eiskalt den Rücken runter, wenn man sich vorstellt, unter was für Umständen die Gefangenen leben mussten. Einige Strafen, wie Einzelhaft, konnten in den entsprechenden Zellen nachgefühlt werden. Im Winter sank die Temperatur dort unter 0 grad und die Ratten knabberten gerne an den Zehen… Wir waren doch froh bald wieder auf freiem Fuß zu sein! 

Wir fahren weiter zum Steinbruch. Hier ist ein Camp mit Strand und Bar und man kann den überfluteten Teil des Gefängnis per Schnorchel, SUP oder beim Tauchen erkunden. Das Gefängnis wurde 2012 überflutet nachdem jemand die Pumpen gestohlen hatte, die ständig  das Grundwasser aus dem Steinbruch befördert hatten. Der Grundwasserpegel stieg infolgedessen immer weiter an, bis alles unter Wasser stand. Daraufhin wurde das Gefängnis stillgelegt. Das Camp ist ein hipper Ort mit viel Graffiti. Ein Künstler ist gerade dabei die Umkleidekabinen zu verschönern. Wir fragen ihn, ob er nicht Lust hätte unseren LKW zu verschönern. Er sagt zu und meinte er würde nach Sonnenuntergang beginnen, da er unser Logo via Beamer erstmal drauf projezieren will. Gegen Spätnachmittags schläft der Gute seinen Rausch auf den Sitzsäcken der Bar aus. Als er bis 23 Uhr nicht bei uns auftaucht gehen wir schlafen und schmunzeln über den Künstler. Aber da waren wir wohl zu voreilig. Nachts um ca 1:30 Uhr werden wir wach weil jemand um unseren LKW schleicht und ein Lichtstrahl ins Fenster fällt. Wir schauen raus und was sehen wir? Unser Künstler steht im Beamerlicht und pinselt unser Logo auf den Koffer 🙂 damit hat er uns alle Fragen einfach abgenommen. Den ganzen Nachmittag haben wir hin und her überlegt, wo und wie groß das Logo hin soll. Mit Text oder ohne? … Die Konturen sind auf einer Seite schon fertig und die zweite Seite Dreiviertel. Damit ist das also geklärt… Nachdem wir ihm noch ein Bier „for the process“ gegeben haben, gehen wir irgendwann wieder ins Bett und unser Künstler wird am folgenden Tag die Flächen ausmalen. Als es soweit ist fragen wir ihn, ob er abschätzen kann, wie lange er dafür braucht und er meint so circa eine Stunde – und tatsächlich ist das Werk 8 Stunden, 7 Bier und drei Aperol später schon getan 😉 Wir sind happy mit dem Ergebnis, löhnen die vereinbarten 100€, haben einen viel hübscheren Wohnkoffer als zuvor und sind um eine Anekdote reicher… Nach drei entspannten Tagen mit viel Sonnenschein, Baden, Pommes und Drinks brechen wir wieder auf und verlassen diesen besonderen Ort. 

Nach dem längeren Stopp in Rummu war die Frage wohin als Nächstes. Abdrehen in Richtung Osten, russische Grenze oder einfach weiter gemütlich südwärts? Wir haben uns dafür entschieden Tempo rauszunehmen und eher weniger zu sehen, dafür dies dann länger genießen. Gerade bei längeren Reisen lernt man auch immer wieder neu das Entspannen und sich damit zufrieden zu geben nicht alles zu sehen – das ist eh unmöglich….es ging also ein paar Kilometer ans Meer – hier haben wir nur Wasser aufgefüllt und an einem RMK Spot ausgiebig mittags gegrillt. Auf dem Weg dorthin war die Fahrzeuggrösse erstmals eine Hürde, da wir im Pinienwald zwischen zwei Bäumen nicht ohne Kontakt durchgekommen wären. Also halt nicht direkt am Meer stehen sondern 40m weg. Ohnehin sind wir nach der ausgiebigen Mittagspause am selben Tag ein paar Kilometer südwärts ins Landesinnere Richtung Lihula gefahren. Babsi hat hier einen untypischen P4N Platz ausfindig gemacht. Auf einem ländlichen Anwesen bietet “Mart” sowohl Stellplätze als auch Betten an. Für deutsche Verhältnisse unfassbares Grundstück. Ein Wohnhaus, ein Saunahaus, ein Partyhaus, Schwimmteich, Trampolin, top gepflegter Garten und eine riesige Tafel für alle Gäste im Garten. Allerdings kaum isolierte Holzhäuser, keine Zentralheizung und im Winter muss er bei -30Grad schon mal nachts Holz nachlegen oder im Haus sind tagsdrauf halt nur 10–15Grad. Der erste Blick ist irgendwie neidisch auf das schöne Wohnen aber gleichzeitig auch froh um unsere heimische Infrastruktur. Trotzdem hat er es mit seinem Anwesen in eine der estnischen “schöner-wohnen-Zeitungen” geschafft und zeigt uns stolz seinen 5 seitiges Artikel ! Platz gibts hier aufm Land ohne Ende. Als Vergleich Estland ist fast so groß wie Niedersachsen mit den Einwohnern von München….das sagt schon viel aus! Es war ein sehr toller Abend mit gigantischem Gin Tonic aus einer sehr gut ausgestatteten Bar, wir hatten nette Gespräche – einfach toll ! 

Hier haben wir auch den tip bekommen uns die Insel “Kihnu” anzuschauen – eine der ursprünglichsten Gegenden Estlands. Wir machen uns tagsdrauf auf den Weg ein paar Kilometer südlich wo wir an einem kleinen Hafen (3 Mini Boote) übernachten. Als wir ankommen ist ein kleines Dorffest im Gange (20.08.22 ist der “Tag der Rückerlangung der Unabhängigkeit”) – es sind ca. 20 Leute am Tanzen. As wir dort mit unserer Feuerwehr anfahren “treffen” uns alle Blicke und wir werden herzlich begrüßt. Nach dem Tanzen muss ich den Männern einige Fragen zum Fahrzeug beantworten. Sie sind sehr erstaunt als sie feststellen das in unserem Fahrzeug exakt ihr Traktormotor verbaut ist (bloß mit Turbo). Sie bestätigen unsere aktuelles Vertrauen ins Fahrzeug mit den Worten “like a Tank, will never break!” Wir holen uns am kleinen Versorgungsstand einen selbst gemachten Wein, was süßes und selbst gebrautes Bier. Leider treffen beide Getränke überhaupt nicht unseren Geschmack aber wir „würgen es irgendwie runter“ nachdem einer der Männer sagt „Taste like shit“ muss ich schmunzeln und kann beruhigt den Bodensatz ins Gras leeren….die Kids haben auf einer riesigen Schaukel Spaß und um 20 Uhr ist die „Party“ vorbei und wir gehen ruhig schlafen. Am nächsten morgen früh aufstehen (7uhr) und um 8:00 auf die Fähre. Das erste mal lassen wir die Feuerwehr im Hafen stehen und gehen mit unseren eBikes auf die Insel Kihnu. Da die Insel mit 6x3km überschaubar ist, machen wir eine schöne Radltour. Die Insel ist für die traditionelle Lebensweise populär. Die Inselmänner waren üblicherweise Fischer und die Inselfrauen kümmerten sich um Haus und Hof. Noch heute kleiden sich die Frauen häufig in längsgestreiften langen, dicken Wollröcken und bewegen das klassische Inselfahrzeug ein Dnepr Motorrad mit Beiwagen. Als wir mit der Fähre wieder unsere Feuerwehr erreichen holen wir noch Emils kleines Fahrrad aus dem hintersten Winkel der Garage, da Emil jetzt Lust hat Fahrrad fahren zu lernen. Und siehe da, es klappen schon einige Meter ohne festhalten. Die Freude ist bei uns allen riesig und Emil strahlt übers ganze Gesicht. Und so wird der Ausflug auf die Insel Kihnu für uns sicherlich unvergesslich bleiben … 

Nach einer kurzen Stärkung am Imbiss sind wir noch ca. 20km Richtung Pärnu gefahren. Kleine Straßen immer der Küste entlang. Wieder hat uns Estland mit top gepflegten, sehr grosszügigen Einfamilienhäusern überrascht. Direkt am Meer, unverbaut – wenig Tourismus. Schön! Wir haben an der Straße einen kleinen Feldweg zum Meer gefunden und sind abends dort angekommen. Erstmals mit vernünftiger Möglichkeit DIREKT auf den Strand zu fahren. Ich (Flo) will da natürlich hin, babsi zögert etwas aber ja irgendwann müssen wir ja mal Erfahrungen im Sand und unserer Gewichtsklasse sammeln. Also kurz raus und einen Weg auf den Strand ausgemacht. Es geht leicht bergab auf den Strand, wir reversieren und merken dann ziemlich schnell – der Stellplatz ist mega schräg. An gemütliches Schlafen ist nicht zu denken – also müssen wir wieder runter vom Strand und kurz hinter der Sandlinie haben wir einen guten Stellplatz ausgemacht. Also nur „schnell“ rüber fahren…..aber tja nach dem anfahren gehts nicht mehr weiter sondern nur noch tiefer 🙂 Also alle sperren rein und es geht wieder kaum vorwärts – nur tiefer…Babsi holt schon Luft „habe ich doch gesagt“ und sieht uns Schaufeln. Nur die Ruhe – nochmal zurück, etwas näher an die Wasserkante – fester Untergrund und dann Methode „Jeremy clarksen“. Speed always helps – if not, try more Speed! Also diesmal zweiter Gang, Untersetzung – dicke dieselwolke und Speeeeeeed. Und schon sind wir an unserem neuen Stellplatz – hinterlassen aber ganz schön tiefe Gräben am Strand….und gut zu sehen, dass man auch in der Gewichtsklasse sich aus eigener Kraft wieder gut rausmanövrieren kann. Und das größte Ass – Reifenluftdruck reduzieren – haben wir noch gar nicht gespielt. Wir bleiben hier zwei Nächte hatten zwei super nette Holländer als Nachbarn und haben Strand und Ruhe genossen. 

Nach dieser Strandpause fahren wir am 23.08.2022 durch Pärnu, gehen einkaufen und hören auf dem Parkplatz auf einmal geilen Motorsound. Nach kurzer Recherche sehen wir, dass wir quasi neben dem „Porsche Ring“ stehen. Da wollen die Männer hin. Und wir sind umso überraschter als wir mit unserer Feuerwehr bis ins Fahrerlager fahren können. Es findet „Privatspass im F1 (!)“ statt. Zwei F1 Fahrzeuge drehen ihre Runden und wir schauen zu, genießen Sound und Speed! Im Nachhinein recherchieren wir dass hier jeder der Fahrer für 5 Runden 2000€ bezahlt hat. Wer also mal Lust auf F1 hat, wird hier geholfen….wir erden uns und rasen mit 80km/h weiter Richtung Lettland….

Wie immer gibt noch viel mehr Bilder hier

Ein Gedanke zu „Estland – was für eine angenehme Überraschung !

  1. Hallo Ihr Vier, was haben wir uns gefreut über eine echte Postkarte, geliefert von der gelben SChneckenpost.
    Sind froh, dass es Euch gut geht. Wir quälen uns immer noch Restbestände von Corona um. Achim geht es schon besser, aber ich bin immer nur müde, müde , müde…. habe mich jetzt in der Aqua -Gymnastik auf mühevolle 45 Minuten hochgearbeitet, wo ich vorher 2x in der Woche 2 Stunden, plus Sonntags 1 Std. Walken, plus, wer weiss pro Woche…. heute beim Bogenschiessen, eigentlich immer 3 Stunden, musste ich nach 1 Std nach Hause, zu müde…. ätzend. Kommentar der Ärztin: Frau Thum Sie brauchen Geduld, es sind noch keine 8 Wochen rum…… Nun im Herzen habe ich immer noch die Wale und Delphine vor Island-Spitzbergen, den kalbenden Gletscher, die Eisbar mit echtem Gletschereis, die Wanderung auf dem Vulkan in Spitzberger etc. leider mussten wir die Kanutour im Geirangerfjord die Anderen alleine machen lassen. Nun, da kommen wir vielleicht noch mals. Habt viel Freude aneinander und tolle weitere Tage und Wochen. Bleibt vorallem gesund, herzliche Grüsse aus Kölle, „Tante“ Angelika und der Män

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